Wie die Idee für die Tücher entstanden ist…
In der Zeit zwischen den Jahren 2009/2010 liefen – wie von alleine – Fäden zusammen, die es schon lange oder länger gab, die aber bisher nichts miteinander zu tun hatten.
Ein Faden ist mein Suchen um einen Zugang zum „Muster“ des Schwellensteins von Newgrange.Vor mehr als zehn Jahren fiel mir die Abbildung dieses Steines im Buch von Marija Gimbutas, Zivilisation der Göttin, auf. Aus den hunderten von Abbildungen blieb mir dieser Stein im Gedächtnis hängen, fand sich auf einer Geburtstagseinladung wieder, als Bild in meiner Küche, als Herausforderung für meine Filzarbeit.
Marija Gimbutas These, dass das, was wir üblicherweise als Muster und Verzierungen auf Tonscherben oder anderen archäologischen Fundstücken bezeichnen, ein alteuropäisches Alphabet war, das eine Frau in der Türkei genauso verstanden hat wie ein Mann in Spanien oder eine Frau in Irland, fand ich sehr spannend und hat mich sehr beschäftigt.
Bei diesem Stein von Newgrange nahm ich immer an, dass er davon erzählt, was die Menschen damals dachten über den Zusammenhang von Leben und Tod und darüber, wie die Welt entsteht.
Außerdem vermutete ich, dass ich, wenn ich dieses „Muster“ mit den Händen arbeite, ich einen Zugang dazu und ein inneres Verständnis dafür gewinnen könnte. Und es sollte dreidimensional als Filz entstehen.
Ich probierte verschiedene Filzvarianten und Filztechniken aus: nichts hat funktioniert. Ich habe erfahrene Filzerinnen gefragt: ich bin weiterhin gescheitert.
Im Herbst 2008 habe ich in der Studiengruppe im Werk Raum Textil in Nürtingen angefangen einen großen Filz so zu besticken, dass sich die Spiralen und Rauten dreidimensional aus der Filzfläche hervorgehoben haben. Das war schon mal ein Anfang, aber ich war nicht zufrieden.
Ich habe überlegt, ob ich noch mehr Zugang und Verständnis gewinnen könnte, wenn ich die Arbeitstechnik wechsle. In einem Druckkurs entstanden dann aus einem kleinen Detail des Steins heraus meine vier Stempelmotive, mit denen ich seitdem drucke. Mit diesen Stempelmotiven hatte ich es plötzlich in meiner Hand, mir unzählige Varianten von Zugängen selber zu schaffen.
Ein weiterer Faden für die Tücher sind meine Erfahrungen mit dem Sterben in meiner Familie.
Ich habe mich erinnert an das Sterben meiner Schwiegereltern und meiner Eltern, die alle ganz verschieden gestorben sind: in Ruhe oder gewaltsam, langsam über Wochen hinweg oder ganz schnell, von einem Vormittag auf den Nachmittag.
In der Zeit zwischen dem Sterben und der Beerdigung war für mich wahrnehmbar, wie unterschiedlich anwesend oder schon fortgegangen die Schwiegermutter, mein Vater und meine Mutter waren.
Und dass ich ein Bedürfnis hatte, dafür Sorge zu tragen, dass sie gut gehen können und mich frei gefühlt habe, das zu tun, wonach mir in diesen Zeiten war.
Bei uns in der Familie gibt es in diesen Sterbe- und Trauerzeiten einen großen Freiraum, das zu fühlen, was ich fühle, und das zu tun, was ich tun will. Und das zu lassen, was ich nicht tun will.
Der dritte Faden war, dass eine Teilnehmerin in der Studiengruppe daran gearbeitet hat, Leinentücher mit Symbolen und Namen von Verstorbenen ihrer Familie zu besticken und ich an ihren Überlegungen und ihrer Arbeit teilnehmen durfte.
Diese drei Fäden fügten sich zur Idee mit den Sterbetüchern zusammen.
Für mich sind die Tücher eine Zusammenfassung dessen, was ich über das Sterben denke und was ich wichtig finde, für die Menschen, die sterben und die Angehörigen, die begleiten und Abschied nehmen und doch verbunden bleiben.